In den letzten Jahren hat der Zahlungsdienstleister Wirecard, der mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, Lobbyarbeit für nicht legale Glücksspielanbieter sowie für ihre diversen Zahlungsanbieter gemacht. Dies geht aus Unterlagen hervor, die einer großen deutschen Tageszeitung sowie zwei Rundfunkanstalten vorliegen. Darüber hinaus gibt es Nachweise in Form von Emails, die belegen, dass eine Reihe von Ex-Politikern durch Wirecard hierfür eingespannt wurden. In dieser Liste tauchen auch hochrangige Namen aus CDU-Kreisen auf, wie der des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen oder der des Ole van Beust, Ex-Bürgermeister von Hamburg.

Politiker ließen sich vor den Wirecard-Karren spannen

Wirecard

Die Anwaltskanzlei Hambach & Hambach spielt in dem Wirecard-Skandal eine nicht unerhebliche Rolle. Sie vermittelte damals Peter Harry Carstensen. Kanzlei-Chef Wulf Hambach war selbst einer der Top-Berater des Wirecard-Vorstands. Darüber hinaus war er auch als Consultant für eine Reihe von Glücksspielunternehmen tätig. Da Wirecard im großen Stil die Zahlungsabwicklungen für Online Casinos übernommen hatte, die keine Lizenz in Luxemburg besaßen, geriet der Finanzdienstleister 2017 in den Fokus der Aufsichtsbehörden. Die Staatsanwaltschaft München I leitete damals ein Ermittlungsverfahren ein, das allerdings einige Jahre später wieder eingestellt werden musste, da es den Ermittlern nicht gelungen war, die Zahlungen nachzuvollziehen. Schon im Februar 2014 hatte Hambach & Hambach bei Wirecard den Ex-Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Peter Harry Carstensen, ins Gespräch gebracht. Er wurde als Lobbyist vorgeschlagen und besuchte kurz darauf mit Hambach und Burkhard Ley, einem Vorstandsmitglied von Wirecard, Volker Bouffier. Der CDU-Mann war zu diesem Zeitpunkt noch als hessischer Ministerpräsident im Amt. Es war bekannt, dass Hessen eins von den Bundesländern war, die in den Jahren zuvor für einen „sanften“ Umgang mit illegalen Glücksspiel-Anbietern angetreten war. Der gemeinsame Termin wurde auf Anfrage einer großen deutschen Tageszeitung von der hessischen Staatskanzlei bestätigt. Ein Sprecher erklärte, dass Wirecard im Zusammenhang mit Online Casinos vorhatte, „... zentrale Aufgaben bei der Zahlungsabwicklung und beim Spielerschutz zu übernehmen.“ Dieses Gespräch blieb allerdings ohne weitere Konsequenzen, da es nicht möglich sei „hoheitliche Tätigkeiten“ auf Privatunternehmen zu übertragen, so der Sprecher. Kurz darauf schickte Hambach eine E-Mail an Wirecard, in der er auf die guten Kontakte Carstensens zum grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann hinwies. Er schlug ein gemeinsames Treffen „... wie in Wiesbaden“ vor und mutmaßte, dass dieses „lohnend“ sei. Außerdem wollte er der avisierten Blockade von Finanzdienstleistern illegaler Online Glücksspielanbieter „den Wind aus den Segeln nehmen“. Eine entsprechende Anfrage blieb jedoch vom baden-württembergischen Staatsministerium unbeantwortet. Laut der nun vorliegenden E-Mail-Korrespondenz hatte Carstensen allerdings 2015 ein Meeting mit dem Ex-EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger (CDU), Hambach und einem hohen Wirecard-Manager in Brüssel eingefädelt. Der ehemalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins gab sogar Oettingers Mobilnummer Wirecard-Vorstand Burkhard Ley weiter.

Wirecards Lobbyarbeit drehte sich um die Regulierung des Glücksspiels

Oettinger sagt heute, dass er sich nicht mehr daran erinnert, wer neben Carstensen sonst noch an dem Treffen teilgenommen hat und der Inhalt der Gespräche sei ihm ebenfalls entfallen. Carstensen selbst erklärt, nachdem er mit den E-Mails konfrontiert worden war, dass es auch Treffen mit ihm und Ley sowie dem jetzigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz und dem damaligen Hamburger Bürgermeister gegeben hatte. Bei allen Gesprächen sei es immer wieder um einen Austausch über Suchtprävention gegangen. Carstensen bestätigt die Treffen mit Bouffier und Oettinger, bestreitet allerdings von Hambach oder von Wirecard Honorare dafür erhalten zu haben. Er wäre „... nie für die Wirecard Bank als Lobbyist tätig gewesen“. Zusätzlich betont er, dass er grundsätzlich keine Fragen zu seinen Einkünften beantwortet.

Die Kanzlei Hambach & Hambach beruft sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht. Sie gibt keine Auskunft über Mandanten, räumt aber ein, dass sie mit Herrn Carstensen in verschiedenen Angelegenheiten kooperiert und dass es grundsätzlich üblich sei, dass „... Unternehmen sich bei Rechtsfragen extern beraten lassen.“ Ex-Wirecard-Vorstand Ley will sich zu keinem dieser Vorgänge äußern. Er verließ Wirecard 2018, war allerdings seither noch immer als Berater für den Konzern tätig – in erster Linie für den Bereich Glücksspiel. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit der Firmen-Pleite und steckte ihn im letzten Jahr sogar für einige Zeit in U-Haft. Hamburgs ehemaliger erster Bürgermeister Ole van Beust arbeitete ebenfalls eng mit Wirecard zusammen. Den Emails ist zu entnehmen, dass van Beusts Firma Von Beust & Coll. ihren Consulting-Vertrag mit dem Finanzdienstleister erst 2019 erneuerte. Die Agentur erhielt den Auftrag „gezielt und zurückhaltend“ Kontakte herzustellen. Im Vertrag heißt es u.a., dass es vorwiegend darum geht „Politiker zu identifizieren, die für die Bankgeschäfte der Online Casinos aufgeschlossen und aktivierbar“ seien. Monatlich legte Wirecard für diese Beratung zunächst 5.000,- Euro monatlich auf den Tisch, später sogar 7.500,- Euro. Hinzu kamen noch „angemessene Reisekosten“. Vor dem Untersuchungsausschuss hatte Ole van Beust diese Vereinbarung grundsätzlich bestätigt.

Für die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe, die als Mitglied im Wirecard-U-Ausschuss sitzt, ist es bezeichnend, dass es bei Wirecards Lobby-Bemühungen in erster Linie um die Regulierung des Glücksspiels ging. „Unter dem Deckmantel, innovative Regulierung anbieten zu wollen, schien es Wirecard letztlich vor allem um die Legalisierung der eigenen Geschäfte zu gehen", sagt Kiziltepe.